Werther
Werther liebt Charlotte. Charlotte jedoch hat ihrer inzwischen verstorbenen Mutter versprochen, Albert zu heiraten. Außerdem trägt sie Verantwortung für ihre jüngeren Geschwister. Die Liebe des jungen Werther überdauert jedoch die Jahreszeiten. Ihre Vergeblichkeit ist ihm bewusst, mit der Übersetzung melancholischer Gedichte eines gewissen »Ossian« gibt er ihr Form (»Pourquoi me réveiller, Ô souffle du printemps ?«/»Wozu mich wecken, Frühlingshauch ?«). Melancholie mag sein Markenzeichen sein, lebensgefährlich ist ihr Umschlag in eine Todessehnsucht, die nicht mehr nur dem Leben einen ästhetischen Rahmen gibt. Eine Begegnung mit Charlotte führt vor Ohren, wie sehr auch die Aggression eines Verzweifelten bei diesem Menschen im Spiel ist: Sein »Je t’aime« (»Ich liebe dich«) klingt, als ob tiefe Trauer jederzeit in Gewalt umschlagen könnte. Im Winter schließlich, zur Weihnachtszeit, erbittet Werther die Pistolen von Charlottes Ehemann für eine Reise. Charlotte ist es, die sie ihm durch einen Diener aushändigen lässt.
Jules Massenet und seine Librettisten waren sich der Tatsache bewusst, zu einer anderen Zeit zu leben als Goethe Anfang der 70er des 18. Jahrhunderts. Im Unterschied zu Goethes Roman wird die Liebe des Werther durchaus erwidert. Charlotte ist eine unterschwellig zerrissene Frau, die ihre Gefühle nicht umstandslos einem bürgerlichen Gefühlshaushalt einsortiert, sie vielmehr reflektiert: In einer vom Saxophon begleiteten Arie fordert sie ihre Tränen zum Fließen auf (»Va, laisse couler mes larmes ?«). Sie ist es, die – mehr oder weniger unbewusst – die Beihilfe zum Suizid nicht verweigert. Und Werther – die Liebe dieses Mannes hat Gewaltpotenzial. Jules Massenet entwickelt seine verführerische, aufregende Musik aus der jeweiligen Situation. Er komponiert faszinierende Stimmungsbilder und nuancierte Psychogramme, die Gefühle zum Gegenstand haben, die zu jeder Zeit in einem anderen Licht erscheinen.
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