Der Saal Tonhain in Berlin-Steglitz wurde 1911/12 von den Architekten P. Berthild und W. Baumgarten gebaut und beherbergte ursprunglich ein Kino. Als das Tonhain sich im Jahr 2022 als Heimstätte fur das Kollektiv anbot, war die Idee geboren, das historische Erbe des Tonhains in Werken zu programmieren, die entweder Filmmusik beeinflusst haben oder von ihr beeinflusst sind. Diese Klangwelten sind uns allen vertraut, denn Musik- und Filmindustrie sind seit dem 20. Jahrhundert eng miteinander verflochten. Das abwechslungsreiche Programm, das mit John Coriglianos »The Red Violin Caprices« beginnt und mit Korngolds uppig besetztem Klavierquintett endet, verwischt die Grenze zwischen Filmmusik und Konzertmusik.
Coriglianos Filmmusik zu »Die rote Violine«, die 1999 mit dem Oscar fur die beste Filmmusik ausgezeichnet wurde, erregte wegen ihrer farbenfrohen Orchestrierung und der virtuosen Geigenstimme sehr schnell die Aufmerksamkeit klassischer Musiker:innen. Der Komponist schuf sein Werk in enger Zusammenarbeit mit dem Virtuosen Joshua Bell. Die kanadische Komponistin Nicole Lizée, die fur ihre Klangexperimente bekannt ist, erforscht in ihrem Streichquartett »Another Living Soul« unkonventionelle Klangfarben und Texturen. Das 2016 vom Kronos Quartett in Auftrag gegebene Stuck erfordert erweiterte Techniken wie Stampfen, Singen, Glockenläuten und das Spielen mit singenden Rohren. Mit unkonventionellen Klängen schließt dann Tan Duns »Eight Colors« die erste Hälfte des Programms ab. Tan Dun, der im Jahr 2000 den Oscar fur die beste Originalmusik fur »Crouching Tiger, Hidden Dragon« gewann, wird heute sowohl als Konzert- als auch als Filmkomponist gefeiert.
Kein anderer Komponist hatte einen größeren Einfluss auf Hollywood als der österreichische Komponist Erich Wolfgang Korngold. Der zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Brunn geborene Korngold galt sofort als Wunderkind und komponierte mit unter 15 Jahren bereits zahlreiche komplexe und erfolgreiche Opern und Ballette. Sein Klavierquintett op. 15 schrieb er mit nur 24 Jahren. Die Auslöschung von Korngolds Wiener Herkunft – eine Folge des Antisemitismus – lebt noch immer fort: Viele Europäer:innen sehen ihn nach wie vor eher als amerikanischen denn als österreichischen Komponisten, aber seine Musiksprache ist ganz und gar wienerisch, durchdrungen von den Traditionen Mahlers, Schönbergs und Brahms’.
BESETZUNG
Tonhain Kollektiv Ensemble
Luke Hsu Violine
Mayumi Kanagawa Violine
Friedemann Slenczka Viola
Leonard Disselhorst Violoncello
Yoonji Kim Klavier
PROGRAMM
John Corigliano
The Red Violin Caprices
Nicole Lizée
Another Living Soul
Tan Dun
Eight Colors fur Streichquartett
- Pause -
Erich Wolfgang Korngold
Klavierquintett E-Dur op. 15