Angeblich kam ihm die Idee, als er sich in einem Pariser Taxi erinnerte, wie er während eines Urlaubs in einer deutschen Badestadt die Stentorstimme der Croupiers im Spielkasino gehört hatte. Seinen eigenen Worten zufolge hatte sich Strawinsky seit vielen Jahren mit der Idee befasst, ein Ballett zu komponieren, dessen Thema das Kartenspiel sein sollte, für das er selbst eine große Vorliebe hatte. Während seines zweiten Amerika-Aufenthalts im Jahr 1935, bei dem er sowohl als Dirigent wie auch als Interpret seiner eigenen Werke auftrat, kam ihm ein Auftrag zu einer Ballettmusik sehr gelegen. »Jeu de cartes« entstand, als Bühnenspiel über das Kartenspiel (Tänzerinnen und Tänzer als Spielkarten kostümiert), aber auch als kompositorisches Spiel: Eine Fülle von Zitaten begegnet uns – Rossinis »Barbier«-Ouvertüre, Strauss’ »Fledermaus«, »La Valse« von Ravel, Beethoven, Jazziges, Tanzrhythmen und Zitate aus Strawinskys eigenen Werken.
»Bei David Orlowsky scheint sich die Klarinette in ein menschliches Wesen zu verwandeln«, schwärmte das »Hamburger Abendblatt«, und wer David Orlowsky mit Mozarts Klarinettenkonzert hört, kann plötzlich verstehen, warum sie seinerzeit alle von Anton Stadler schwärmten: »Hätt‘s nicht gedacht, daß ein Klarinet menschliche Stimme so täuschend nachahmen könnte, als du sie nachahmst.« Als tönendes Denkmal einer großartigen Musikerfreundschaft ist das A-Dur-Konzert in die Geschichte eingegangen: die vorletzte Komposition, die Mozart in sein »Verzeichnüß aller meiner Werke« eintrug. Der gute Freund und Weggefährte der gemeinsamen Wiener Jahre, der österreichische Klarinettist Anton Stadler, der vor allem durch seine am Ideal des menschlichen Gesangs orientierte Klangkultur berühmt geworden war, experimentierte in den 1780er Jahren mit einer im Tonumfang nach unten um eine große Terz erweiterten Klarinette. Diese Stadler‘sche »Erfindung«, die heute allgemein als »Bassettklarinette« bezeichnet wird, wäre womöglich längst in Vergessenheit geraten, hätte Mozart nicht für das eher kurzlebige Instrument unter anderem das Klarinettenquintett und das Klarinettenkonzert geschrieben.
Wie tragisch kann die »Tragische« eines 19-Jährigen sein? Tatsächlich stammt die Bezeichnung »Tragische Sinfonie« nachweislich von Schuberts eigener Hand und sorgt damit für umso mehr Diskussionsstoff. Es besteht kaum ein Zweifel, dass er die Tonart c-Moll mit Tragik assoziierte. Vier Monate nach der Komposition der Vierten schrieb Schubert in seinem Tagebuch: »Der Mensch gleicht einem Ball, mit dem Zufall und Leidenschaft spielen.« Es ist denkbar, dass er die Misserfolge und Erfolge seines bisherigen Lebens als tragisch im Sinne der antiken griechischen Tragödie deutete. Schuberts Vierte ist jedenfalls beseelt von einer Dramatik der Stimmungen, die immer wieder ihren ganz eigenen, um Schuberts musikalische Ideen kreisenden Ausweg aus düsterer Atmosphäre finden.
BESETZUNG
Symphoniker Hamburg Orchester
David Orlowsky Klarinette
Pawe Kapua Dirigent
PROGRAMM
Igor Strawinsky
Jeu de cartes
Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert für Klarinette und Orchester A-Dur KV 622
Franz Schubert
Sinfonie Nr. 4 c-Moll D 417 »Tragische«