In diesem Kammerkonzert des Philharmonischen Staatsorchester Hamburg geht es auf eine musikalische Reise durch das 20. Jahrhundert – und nonchalant in die wohl sinnlichste (Musik-)Geschichtsstunde. Zwischen Impressionismus und Expressionismus, zwischen süßlicher Sinnlichkeit und spröder Wunderlichkeit changierte die Musik des 20. Jahrhunderts: Darius Milhaud, Ernst Krenek, Alexander von Zemlinsky und Francis Poulenc sind Kinder wie Künstler eines Zeitgeists, der angesichts gesellschaftlicher Um- und Aufbrüche und politischer Abgründe gleichermaßen eine Musik des Widerstands, der Reflektion und der Zerstreuung forderte wie förderte.
Fruchtbaren Boden für ihre Ideen fanden Darius Milhaud und Francis Poulenc in Paris, wo sie sich der Groupe des Six anschlossen. Diese freche Künstlergruppe der 20er Jahre wagte den Ausbruch aus den grandiosen Klischees der Musik vor dem ersten Weltkrieg und propagierte den Aufbruch zu einer Musik des Alltags, der kleinen Formen und prosaischen Gesten.
Milhauds Suite für drei Bläser ist für Theater entstanden: Für eine Produktion von Shakespeares »Romeo und Julia«. Das vielfarbige, rauschhafte Sextett des Klangzauberers Poulenc stellt hingegen höchste Anforderungen an die Virtuosität der Musiker:innen und fordert nicht nur die Lust an der kammermusikalischen Interaktion, sondern fördert das lyrische Potenzial der Neuen Musik.
Von Paris geht es in die Avantgarde und zu Ernst Krenek, dessen uvre den großen stilistischen Bogen des 20. Jahrhunderts widerspiegelt. Schon allein die Besetzung seines Alpbach-Quintetts op. 180, entstanden im kalifornischen Exil, zeigt den Mut des Komponisten zu neuen Formen und Farben. Eine Komposition der expressiven Melodien, der kontrapunktischen Schlagwerkklänge und eines außergewöhnlichen musikalischen Gestus’.
Dass die Musik nicht nur Ausdruck, sondern auch Zuflucht sein kann, zeigt die Humoreske von Alexander von Zemlinsky. Anders als der Werktitel suggeriert, waren die Bedingungen, unter denen es entstand, keineswegs humorvoll. Alexander Zemlinsky musste als jüdischer Künstler in die USA fliehen. Dort starb er 1942 verarmt und vergessen im Bundesstaat New York. Im Jahr zuvor hatte er als didaktische Auftragsarbeit für Bläserquintett seine Humoreske geschrieben – sein letztes Instrumentalstück. Es ist ein humorvolles Rondo als Adieu an die Welt.
BESETZUNG
Manuela Tyllack Flöte
Guilherme Filipe Costa e Sousa Oboe
Christian Seibold Klarinette
Fabian Lachenmaier Fagott
Jan Polle Horn
Jesper Tjærby Korneliusen Schlagzeug
Volker Krafft Klavier
PROGRAMM
Darius Milhaud
Suite d’après Corrette für Oboe, Klarinette und Fagott op. 161b
Ernst Krenek
Alpbach Quintett für Bläserquintett und Schlagzeug op. 180
Alexander von Zemlinsky
Humoreske für Bläserquintett
Francis Poulenc
Sextett für Bläserquintett und Klavier FP 100