Graphische Arbeiten von Thomas Doege in der Otterndorfer Stadtscheune
Thomas Doege stellt vom 13. März bis zum 10. April in der Städtischen Galerie in der Stadtscheune überwiegend großformatige graphische Arbeiten aus, die in den letzten fünf Jahren entstanden sind.
Die meisten Zeichnungen sind mit weißem japanischen Gelstift auf schwarzem Ton- bzw. Plakatkarton aufgetragen. Die so entstehenden, stets wechselnden Schwarz-Weiß-Kontraste führen dabei nicht zu einem Gegensatz, sondern bedingen einander, d.h. die weiße Linienführung hebt das Schwarz hervor, während der flächige, schwarze Untergrund seinerseits die weißen Linien und Konturen zum Leuchten bringt.
Viele der Abbildungen ähneln zudem ins Gegenteil verkehrten Schattenrissen oder erinnern ansatzweise an scharf konturierte Schwarzweißfotografien.
Das Gel des Fineliners ermöglicht dem Zeichner durch seinen variablen Einsatz besondere Freiheiten in der Linienführung, was auch zu einem Reichtum an changierenden Zwischentönen führt. Durch die unterschiedliche Verwendung des Zeichenuntergrundes (wahlweise relativ nachgiebiger Fotokarton oder körnigerer Plakatkarton) lässt sich zudem eine Vielfalt an graphischen Möglichkeiten umsetzen. So kann man den Stift entweder ausfransend tonig-weich führen oder aber eher spitz-scharfkantig, indem man eine Art Schabtechnik anwendet.
Der hellste Weißton wird mit einer neuen, also ungebrauchten Gelmine erzielt. Dann ist der Auftrag am „frischesten“ und die Linie kann sogar relativ breit auf den Karton gesetzt werden. Durch diesen „dickeren“ Auftrag erreicht man sogar einen gewissen Grad an Reliefierung. Ist die Mine aber nahezu aufgebraucht, so wird das Weiß schwächer und die Linie muss des Öfteren nachgeführt werden. Will man jedoch einen eher grau wirkenden Zwischenton erreichen, so belässt man es mit dem einmaligen Aufsetzen des Stiftes unter schwachem Druck.
Wird der Stift am Ende nicht mehr durch ausreichend nachfließendes Gel unterstützt, so kratzt die Feder auf dem Zeichenuntergrund, raut ihn an, graviert sich ein.
Thomas Doege setzt die künstlerischen Ambitionen der Familie in dritter Generation fort. Der gebürtige Goslarer hat über mehrere Jahrzehnte an der Realschule Lamstedt u. a. Kunstunterricht erteilt, sich nach seiner Pensionierung ein eigenes Atelier eingerichtet und war anschließend bereits an mehreren Ausstellungen im regionalen Bereich beteiligt.
Schwerpunkte seines künstlerischen Wirkens sind - neben den graphische Arbeiten - die Acrylmalerei sowie die Gestaltung von Collagen.
In seinen Bildern thematisiert Doege immer wieder zerbrechliche, flüchtige, amorphe (form- und gestaltlose) Gebilde und Abläufe, die sich im Übergang befinden, in verschiedenen Stadien der Umwandlung. Organische Formen zeigen ihre Vergänglichkeit und Endlichkeit an: Sie altern, werden porös, verwittern, erodieren, zerfallen, lösen sich auf.
Das Verwandelte wird also morbide, wenn es das Morbide nicht ohnehin schon in sich trug. In allen seinen Nuancen aber verweist das Morbide auf eine eigene Ästhetik.
Die Objekte und Figuren werden nach abgeschlossener Transformation oft zu bedrohlichen Bildern der Nacht, zeigen Irreales, Albträume und Phantasien, Zwischenwelten.
Einem Großteil der Arbeiten merkt man letztlich an, dass sie unter den belastenden Eindrücken der Pandemie entstanden sind. Der unfreiwillige Rückzug ins Private brachte demzufolge Arbeiten von hoher meditativer Wirkung hervor.
In seiner Formensprache bedient sich Doege geometrischer Muster und Ansätze, die wiederkehrend sich verändern. Mit leichtem Strich schafft er Strukturen, die abstrakten Gebilden gleichen, stilisierten, irrealen Abbildungen der Natur, die ihn frei von jeglicher Reglementierung machen.
So schafft er Raster, amorphe Gewebe, instabile Gerüste, Reihungen, Streuungen, Häufungen und Verdichtungen.
Mit präziser Linienführung gelingen dann reduzierte Formen und Figuren, Anrisse, Schraffuren, Stufungen und Punktierungen. Daneben sorgt der seltene angewandte flächigere Auftrag für überraschende Effekte in der Darstellung.
Mitunter bezieht Doege verschiedenfarbige Fineliner oder gar Farbmarker in seine Arbeiten mit ein, um seine jeweiligen Intentionen noch wirksamer zu unterstreichen.
Einen gelungenen Umkehreffekt erreicht Doege auch, wenn er seine Zeichnungen zuweilen mit schwarzem Finelinerstrich auf weißem oder grauem Karton ausführt. Umgehend ist dann aus einem Positiv ein Negativ geworden.
Gelegentlich sind in die Werke auch Fotos oder Fotoausschnitte collagenhaft eingearbeitet. Sie nehmen den jeweiligen individuellen graphischen Duktus auf und verschmelzen mit ihm. Dem Gesamtbild selber verschaffen sie dann in der Regel etwas Surreales.
Bei den vorliegenden Arbeiten handelt es sich jeweils um Unikate.
Geöffnet donnerstags bis sonntags von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr.
Der Eintritt ist kostenfrei. Eine Kontaktverfolgung zwecks Luca-App oder handschriftlich ist erforderlich. Voraussichtlich Zutritt mit 2G-Regel (geimpft oder genesen).