Judith Arlt - Die Halligschreiberin
Judith Arlt liest aus ihren Arbeiten, die auf der Hallig Hooge entstanden sind.
Judith Arlt liest aus ihren Arbeiten, die auf Hallig Hooge entstanden sind.
Der Handschlag der Tide regelt das Leben der Frau im Watt. Auf Wasser kann sie sich verlassen. Der Tidenstrom pendelt wie eine Stockuhr durch ihre Pfahlbauhütte. Unverwüstlich. Höflich mit Handkuss. Stur im Auf und Ab. Der Sonnenaufgang hingegen ist launisch und Seenebel sind hinterlistig. Oonagh hört den Stillstand der Gezeit und presst Faschinen zwischen die brusthohen Pfähle. Sie befestigt sie mit Spanndraht. Die Alltagswellen beruhigen sich an den Lahnungen und verrennen sich nicht in die Halligkante. Das Springhochwasser ist ein Durchzügler wie der Steinwälzer. Sobald die Flut gesättigt ist, löst die Ebbe sie ab. Anders der Mond. Die Halligfrau wacht über störungsanfällige Koloniebrüter. Bei Seichtwassertide seihen die Löffler das flache Wasser mit pendelnden Kopfbewegungen. Oft verschwindet das Licht unvermutet aus dem Tag. Nie aber fehlt der Scheitelpegel, oder zu Ostern die gefräßigen Ringelgänse. Auch Goldregenpfeifer und Grünschenkel erscheinen pünktlich zum Appell auf der Salzwiese. (© Judith Arlt 2017) 8,00
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