Peer Gynt
von Henrik Ibsen
Deutsche Fassung von Peter Stein und Botho Strauß
»Peer, du lügst!«, so beginnt Henrik Ibsens Dramatisches Gedicht über den Ich-Sucher, Genussmenschen, Getriebenen, Egoisten, Frauenheld und leidenschaftlichen Erzähler unglaublicher Geschichten. Doch was ist Lüge, was ist Phantasie? Aufgewachsen bei seiner Mutter Åse – nachdem Vater Jon all den vorhandenen Reichtum mit Gelagen und wilden Festen verprasst hat – und verschrien als notorischer Schwindler und Taugenichts, giert Peer nach Anerkennung und will sich vor seinen Mitmenschen beweisen: »Ich werde König, Kaiser werden«. Mit übersprudelnder Energie und einer gehörigen Portion Größenwahn bahnt sich der Tausendsassa seinen Weg durch die Welt und lebt 100 Leben in einem: Brauträuber, Liebender, Troll-Prinz, Träumer, Goldgräber, Kaufmann, Pelzjäger, skrupelloser Sklavenhändler, Prophet, Altertumsforscher und Wahnsinniger – er jagt seinem Selbst hinterher und kann es doch nicht fassen. Seine Lebensentwürfe sind wie die Häute einer Zwiebel: Schicht über Schicht, doch wo ist der Kern? Gibt es überhaupt ein inneres Selbst? Was ist Selbsterfüllung: die Jagd nach Macht, Geld und Ruhm? Der narzisstische Egoismus, der nur auf den eigenen Vorteil aus ist? Oder die – schon fast vergessene – Liebe zu Solveig, die er in der Heimat zurückließ? Henrik Ibsens hintersinnig humorvolle, philosophisch in die Tiefe gehende und mit literarischen Anspielungen – etwa auf »Faust« und »Münchhausen« – reiche Geschichte vom ruhelos durch die Welt hetzenden Aufschneider Peer gewinnt in einer Zeit der sich professionalisierenden Selbstdarstellungs- und Aufmerksamkeitshysterie, in einer Welt, in der Wahrheit und Lüge scheinbar ihre Trennschärfe verlieren, zunehmend an Brisanz.
Andreas Nathusius lässt Peers abenteuerliches Leben Revue passieren und lenkt den Blick damit auf Lebensentwürfe, gescheiterte Träume und die verzweifelte Suche nach dem Ich.