IN SZENE GESETZT
George Bernard Shaw (1856–1950) ist bekannt für sein dramatisches Werk, das über 50 Theaterstücke umfasst. Darüber hinaus gilt er als eine der meistfotografierten Berühmtheiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sein Ruf als Literaturnobelpreisträger, als bärbeißiger Kritiker und Provokateur, sein markantes Erscheinungsbild ebenso wie sein Talent zur Selbstinszenierung tragen zu seiner damaligen medialen Omnipräsenz bei. Zeitlebens ist er ein gefragter Interviewpartner, Redner und Kommentator. Wenn künftige Generationen einst in den Ruinen Londons graben würden, so spottet der mit Shaw befreundete Schriftsteller H. G. Wells, würden sie »Fotografien, mehr Fotografien und noch mehr Fotografien von Shaw« zutage fördern.
George Bernard Shaw ist jedoch nicht nur ein beliebtes Motiv für Fotografen, er fotografiert auch selbst. 1898, im Alter von 42 Jahren, greift er erstmals zur Kamera. Der Fotoapparat ist fortan sein ständiger Begleiter, eine Art visuelles Notizbuch, mit dem er Menschen und Orte festhält. Als enthusiastischer Amateur experimentiert Shaw insbesondere im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts mit Licht und Schatten, Schärfe und Unschärfe, mit Komposition und Farbe. Dabei dient ihm die Fotografie als Mittel, um seine eigene künstlerische Position zu finden. In zahlreichen Bildern zitiert und kommentiert er literarische, dramatische und bildkünstlerische Ausdrucksformen. In seinen Posen stellt sich Shaw zugleich als Schauspieler und als Regisseur dar.
Die Ausstellung präsentiert erstmals in Deutschland ausgewählte Bilder aus dem rund 20.000 Aufnahmen umfassenden Nachlass George Bernard Shaws. Gezeigt werden seine facettenreichen Selbstdarstellungen, Landschaftsaufnahmen sowie Porträts von politischen Weggefährten, Schauspielern, Künstlern und Autoren. Shaw wird zum Modell bildender Künstler wie Auguste Rodin und kommt als Kunstkritiker zu Wort. Die Bilder bieten Einblicke in sein Privatleben und zeigen die vielen Gesichter der von Shaw selbst geschaffenen öffentlichen Figur »G.B.S.«.