Buchpräsentation mit Heinrich Detering und Harro Zimmermann
Heinrich Detering liest aus seinem Band "In letzter Zeit - ein Gespräch im Herbst", welches aus dem Gespräch mit Günter Grass hervorgegangen ist:
"Die Idee war sehr einfach. Wir wollten ein langes Gespräch führen (und aufzeichnen), in derselben Weise, in der wir das im Laufe der Zeit in der Werkstatt in Behlendorf öfter getan hatten, wenn wir uns beim Tee und von Pfeifenrauch umhüllt über die Brüder Grimm und Andersen unterhielten, die neuen Radierungen zu den alten Hundejahren anschauten und Zeichnungen von der jüngsten Reise nach Møn, ohne dass uns Zeitdruck oder Moderationspflichten disziplinierten. Wir wollten also ohne besondere Absichten und Themenvorgaben reden, geleitet lediglich von dem gemeinsamen Wunsch, der Reduktion des Dichters Grass auf die Figur eines politischen Kommentators zu entkommen - zu der er selbst mehr als gewollt beigetragen hatte - und von seinem Werk zu sprechen, das Märchenhaftes und Phantastisches, Kunst-Lust und Spielfreude mit einer dezidiert politischen Zeitwahrnehmung verband." Heinrich Detering
Zum 90. Geburtstag von Günter Grass legt Harro Zimmermann einen Essay vor, der dem »Fall Grass« eine überraschend erhellende Bedeutung zuweist für das nationale Befindlichkeitsfieber im Selbstverständigungsprozess der Bundesdeutschen.
Kein Autor hat nach dem Zweiten Weltkrieg größeren Einfluss auf die Politik und das politische Selbstverständnis der Deutschen gehabt als Günter Grass. Harro Zimmermanns glänzend formulierter Essay beschreibt Grass’ wechselhaften Aufstieg zum Nationalautor. Schon in der »Blechtrommel« (1959) modellierte Grass ein durch Nazi-Wahn, Krieg und Holocaust ruiniertes Deutschland zu jener Ausnüchterungs-Groteske, die dem Ungeist von Beschweigen und falscher Versöhnung das Höllengelächter eines kleinbürgerlichen Schuld-Syndroms entgegenhielt. Wie mit keinem anderen Autor übte die bundesdeutsche Republik mit Günter Grass das politische Buchstabieren. Zugleich stieg Grass im Kanon der Weltliteratur zur Berühmtheit auf. Nur eine Ikone wie er vermochte über Jahrzehnte die geschichtspolitischen ebenso wie die aktuellen Debatten so glaubhaft wie skandalumwittert zu schüren und den Deutschen ihren von Rückschlägen gebeutelten Fortschritt im Schneckengang begreiflich zu machen. Es gibt eine Glanz- und Glücksgeschichte des Intellektuellen und Nobelpreisträgers von 1999, aber es gibt auch eine konfuse Streit- und Diskriminierungshistorie dieses Künstlers, dessen Lebenswerk auf widersprüchlichste Weise mit der deutschen Geschichte verbunden ist.
Karten im Museumsshop, unter Tel. 0451/122 4230 oder per E-Mail an: shop@grass-haus.de