Boris Godunow
Nach dem Tod des Zaren herrschen in Russland politische Wirren und Orientierungslosigkeit. Das Volk von Moskau bittet inbrünstig, dass der mächtige Adelige Boris Godunow die Herrschaft übernehmen soll – jedenfalls solange die Polizei mit der Knute hinter ihm steht. Boris selbst will die Krone eigentlich ablehnen, doch innerlich giert er nach Macht. Angeblich hat er den kleinen Sohn des alten Zaren ermorden lassen, um an die Krone zu gelangen. Oder ist die Geschichte vom toten Zarewitsch, dessen Knochen in seinem Sarg auf wundersame Weise leuchten, nur ein von Boris’ Gegnern aufgebrachtes Gerücht? Und wer ist dann jener Dimitri, der behauptet, der Thronfolger zu sein und der im Grenzgebiet Truppen gegen Boris aufstellt? »Boris Godunow« ist ein Stück über Wahrheit und Lüge in der Politik, über die Gier nach Macht und über die Last politischer Verantwortung.
Als Vorlage zu seiner Oper dienten Modest Mussorgsky sieben Szenen aus Alexander Puschkins gleichnamigem Drama. Die Geschichte des Zaren Boris ist nur einer von mehreren Erzählsträngen dieser Oper, die auf eine geschlossene Handlung verzichtet und stattdessen wie in einem großen Bilderbogen eine ganze Gesellschaft vorführt, vom Zaren und dem hohen Adel über politisch intrigierende Mönche bis zum Volk, das sich von den Mächtigen willig verführen lässt. Passend dazu nahm Mussorgsky sowohl russische Volksmusik als auch die Musik der russischen Ostkirche in seine Partitur auf, sodass die Oper zu einer Art musikalischer Chronik wird. Dies war 1869, zur Zeit der Entstehung, so neuartig, dass Mussorgsky sein Werk mehrfach überarbeiten musste. In der geglätteten Bearbeitung von Nikolai Rimsky-Korsakow wurde »Boris Godunow« schließlich zur russischen Nationaloper. Erst in den letzten Jahren sind die meisten Theater zu Mussorgskys Urfassung zurückgekehrt, die auch am Theater Lübeck zu erleben sein wird.
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