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Reich des Todes - DeutschesSchauSpielHaus

Kategorie: Musical / Theater

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Reich des Todes

Die Krise boomt und mit ihr die Macht der Politiker, die sie zu managen haben. Überall wird in Menschen- und Bürgerrechte eingegriffen, vorübergehend mag das notwendig sein, doch es ist auch die Sternstunde der Autokraten: Orbàn, Erdoan, Kaczyski, der polnische Justizminister Ziobro, sie alle benutzen die unumgängliche Bekämpfung der Pandemie, um ihre Herrschaft weiter nachhaltig auszubauen.
„Vive la crise!“, dieses Zitat von Proust könnte Rainald Goetz seinem neuen Theaterstück voranstellen, denn auch er beschreibt eine Regierung, die im Schatten einer drohenden Gefahr mit Furor und vermeintlich patriotischem Eifer Demokratiezerstörung betreibt. Es geht um den „Krieg gegen den Terror“, den George W. Bush unmittelbar nach den Anschlägen von 9/11 deklarierte. Wie jetzt? Wieso beschäftigt sich Goetz erst heute mit dem, was im Namen dieses Krieges an Machtmissbrauch und Menschenrechtsverletzungen in Amerika selbst, vor allem aber auch im völkerrechtswidrigen Irakkrieg geschah? Inklusive der Übergriffe und Folterungen in amerikanischen Gefangenenlagern wie Abu Ghraib? Journalistisch sind diese Ereignisse doch umfassend dokumentiert. Nun, um Dokumentation geht es Rainald Goetz ganz offensichtlich nicht: Die realen Personen der Zeitgeschichte, Bush und sein Regierungskabinett sowie die Täter*Innen von Abu Ghraib verbannt er in eine „Hades“ betitelte Aufzählung unterhalb seines Personalverzeichnisses. Die Stückfiguren nehmen zwar die gleichen Positionen ein, Goetz gibt ihnen aber andere Namen, die auch an Persönlichkeiten aus verschiedenen Zeiten erinnern: Roon, preußischer Kriegsminister des 19. Jahrhunderts, Kelsen, der berühmte Verfassungsrechtler der Weimarer Republik, oder auch Schill, ehemaliger „Richter Gnadenlos“ und Innensenator in Hamburg. Diese Mehrdeutigkeit hat System: Ständig fordert Goetz zu neuen Kontextualisierungen auf, zum Teil durch direkte Anspielungen, beispielsweise auf den deutschen Faschismus. Zum anderen setzt er mehr assoziative Impulse durch Mottos, Zwischentitel, Musiken, die er zitiert, Nebenwelten, die unausgesprochen mitschwingen, dem Stück dennoch eine größere Reichweite verleihen. Goetz versucht – grundsätzlich und spielerisch zugleich – über Strukturen von Machtpolitik und Machtmissbrauch nachzudenken. Krisen können Sternstunden für Autokraten, auch Diktatoren werden, das zeigt die Geschichte. Goetz stellt in diesem Zusammenhang die finstere Frage: Welche Faktoren müssen denn zusammenkommen, damit der Exzess, das „Böse, Kaputte“ Oberhand gewinnen kann?

HINWEIS:
Die Uraufführung »Reich des Todes« thematisiert u. a. die Misshandlung und Folter irakischer Gefangener in Abu Ghraib, wozu auch sexuelle Demütigungen gehörten. In diesem Zusammenhang gibt es in unserer Inszenierung Szenen, projizierte Bilder und Fotos, die Gewalt und Nacktheit zeigen.

Die Inszenierung »Reich des Todes« wurde zum Berliner Theatertreffen und den Mülheimer Theatertagen 2021 eingeladen.

Statement der Jury des Berliner Theatertreffens
„Es ist ein fast Brecht’sches Aufklärungs- und Erinnerungstheater, das hier in einem Rausch aus Videobildern, Tanzszenen und Politiker*innenparodien auf einer Kerkerbühne von Johannes Schütz zu betrachten ist. In Karin Beiers Inszenierung hält das Theater Gericht über die moralische Verkommenheit der US-amerikanischen Regierung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 – aber auch über uns. Das brachial anklägerische Stück des Autors Rainald Goetz verpasst Männern wie Donald Rumsfeld oder George W. Bush eher läppische deutsche Namen; die Schauspieler*innen führen unter anderem durch eine Hitler-Parodie die Verwandtschaft von faschistischer Verrohung und zynischer Machtpolitik im 21. Jahrhundert vor. Die Faszination des Verbrechens, der archaische Skandal der Gewalt sind hier in grotesk ästhetisierten Folter- und Kriegsszenen abgebildet. Ein Stimmen-Orchester beschwört das Gedankengewitter im Kopf des Dichters und die Todesangst in uns allen. Durchaus nah am Text gelingt der Aufführung eine maßlose, grandios finstere, verstörende Gegenwartsbeschreibung."



Fotos: Arno Declair

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