Lab.Oratorium / Gürzenich Orchester
In ihrem Lab.Oratorium, einer experimentellen Zwischenform aus Schauspiel und Oratorium, elektroakustischem Hörtheater und orchestraler Raummusik, stoßen der Komponist Philippe Manoury und der Regisseur Nicolas Stemann eine Luke auf zu der Tragödie von Menschen auf der Flucht. Gedichte von Ingeborg Bachmann, Worte von Elfriede Jelinek und dokumentarisches Material bilden den Ausgangspunkt einer Erkundung unserer Zivilisation am Scheideweg. Der Kölner Generalmusikdirektor François-Xavier Roth steht auf der Brücke des gewaltigen Stimmen- und Orchesterapparats, zu dem auch der Chor zur Welt der Elbphilharmonie gehört, der einst als Projektchor für syrische Geflüchtete und Deutsche begann.
»Lab.Oratorium« stellt Fragen und sucht Antworten: Wie weit lassen wir das Eindringen von »außen« zu? Wie gehen wir um mit den Veränderungen unserer gewohnten Rahmenbedingungen? Und wie berührt dies unsere Identität? Denn, wer sie gesehen hat, den lassen sie nicht mehr los: die Bilder von ausgezehrten Menschen, die kaum mehr mit sich führen als das, was sie am Leibe tragen, und die sich mit letzter Kraft an Land schleppen, wo sie ihre Rettungswesten auf einen Berg werfen, angehäuft von jenen, die ihnen vorangegangen sind.
»Es herrscht Krieg an den südlichen und östlichen Grenzen unseres Wohlstandsghettos «, konstatiert Navid Kermani. »Jeder einzelne Flüchtling ist ein Einbruch der Wirklichkeit in unser Bewusstsein.« Seenotretter werden aufgrund ihres humanitären Einsatzes angeklagt, Rettungsbooten die Landeerlaubnis verweigert. Und obwohl immer weniger ankommen, zehren populistische Parteien nach wie vor von der Angst vor der »Überfremdung« und befördern damit die innere Zerrissenheit Europas.