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Jonas Hofrichter. Fake Views

Kategorie: Ausstellung / Museen

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Jonas Hofrichter. Fake Views

Jonas Hofrichter (geboren 1986 in Berlin) untersucht in seinen Arbeiten soziale und psychologische Dynamiken, wobei er spielerisch neue Aspekte der klassischen Kunstgattungen Malerei und Skulptur auslotet. Ihn reizt das narrative Potential von Kunst. Oft integriert er Elemente bekannter Märchen in subtile Werke, die ihre Spannung aus dem Widerspruch zwischen Ausgelassenheit und Unwohlsein beziehen. Die zuweilen humoristische Note, die zweifelsohne zum großen Charme seines uvres beiträgt, ist trügerisch. Hinter der auf den ersten Blick harmlosen Oberfläche pochen existentielle Fragen.

Vom 8. Dezember 2017 (Eröffnung um 19 Uhr) bis zum 20. Januar 2018 präsentiert die Galerie Kai Erdmann in Hamburg die Schau Jonas Hofrichter. Fake Views. Ausgangspunkt der Einzelausstellung, deren Titel auf deutsch falsche Aussichten oder falsche Sichtweisen bedeutet, ist die Auseinandersetzung mit den Themen Selbsttäuschung, Wahnsinn und Identität.

Lasierende Seestücke, in denen man den Protagonisten mit der überlangen Nase oft suchen muss, expressive Holzschnitte und egozentrische Skulpturen dokumentieren die Reise des tragischen Helden Psycho-SM-Pinocchio. Er will es einfach alles. Die Welt sehen, Abenteuer erleben, sich lebendig fühlen. Geschichten aus der Fremde haben übermächtige Sehnsüchte in seinem Kopf genährt. Doch schon der Name deutet es an: Die Aufbruchsstimmung kann schnell kippen. Plötzlich sitzt er in seinem kleinen Segelboot, umgeben von schier endlosem Meer. Ziellos. Allein. Er hat weder Augen noch Sinn für die ihn umgebende Schönheit. Unruhige Himmel über düsteren Wellen, hier und da gekrönt von Schaum. Künstlich wirkendes Licht, wie man es in unserer Welt selten sieht. Langsam entpuppt sich die aufregende Flucht als Odyssee des Zweifels. War die Hoffnung auf Abenteuer und Selbstfindung vergebens? Gedankenschleifen stellen sich ein. Ein masochistisches Schmoren im eigenen Wahnsinn die vielleicht eigentliche Reise beginnt.

Aufgrund seiner psychischen Verfassung ist Hofrichters Psycho-SM-Pinocchio Opfer einer gleich mehrfachen Selbsttäuschung. Weder in seiner anfänglichen Idealisierung der Flucht noch im späteren Wahn schätzt er die eigene Lage realistisch ein. Doch was vielleicht schwerer wiegt: Ihm fehlt auch jegliches Bewusstsein für seine eigentliche Identität die eines Stückes Holz. Sowohl die Art als auch die Bedeutung seiner Reise inspirieren zu Spekulationen. Vielleicht ist er gar nicht mehr auf der Erde, sondern bereits zu einem weit entfernten Planeten in einer anderen Galaxie gesegelt. Vielleicht ist das Licht jenes einer fremden Sonne. Vielleicht befindet er sich auf einem verstörenden Drogentrip oder träumt das alles einfach nur. Vielleicht ist seine getriebene Figur eine Persiflage auf unsere Unzufriedenheit schürende kapitalistische Konsumkultur.

Dass Jonas Hofrichter nach seinen leichten, hellen Winterlandschaften von 2015 nun düsterere Töne anschlägt, ist kein Zufall. Auch an seinem künstlerischen Kosmos ziehen die bedrohlichen Veränderungen der realen Welt nicht spurlos vorbei. Parallelen zur aktuellen, kollektiven Selbsttäuschung einer ganzen Nation der USA sind unübersehbar. Schon der Titel der Schau spielt auf den Begriff Fake News an, der in den letzten Jahren als weiterer Nagel im Sargdeckel des American Dream internationale Bekanntheit erlangt hat. Neben neuen Arbeiten wird erstmals auch das in Rot-, Blau- und Weißtönen pulsierende Panorama Amerika gezeigt, das ein Jahr vor Beginn von Trumps Präsidentschaft entstand, und die USA als Sehnsuchtsort zeigt.

Die beschwerliche, abenteuerliche Reise ist ein berühmtes kulturelles Motiv. Der mythologische Held Odysseus ist in diesem Zusammenhang der wohl bekannteste Seereisende. Dass er seine zehnjährige Irrfahrt, die der Dichter Homer festhielt, mit einer Rückkehr beenden konnte, ist seinem klaren Verstand und Ideenreichtum zuzuschreiben. Ein Schicksal, das Psycho-SM-Pinocchio vermutlich nicht ereilen wird vielleicht zum Glück des Publikums. Jonas Hofrichter und die Galerie Kai Erdmann wünschen eine gute Reise.

Agata Waleczek

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Galerie Kai Erdmann
Klosterwall 4
20095 Hamburg - City
Deutschland
Termine: Galerie Kai Erdmann, Hamburg

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