In der Ausstellung Das zweite Original. Fotografie neu ordnen: Reproduktionen widmet sich das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) wiederentdeckten Glasnegativen, auf denen der erste Museumsmitarbeiter Wilhelm Weimar (1857–1917) Sammlungsobjekte zwischen 1897 und 1915 fotografisch festhielt. Während Weimar damals eine überschaubare Anzahl von rund 1700 sogenannten Reproduktionsfotografien anfertigte, produzieren Museen heute eine weitaus größere Fülle digitaler Abbildungen. Sie veröffentlichen Großteile ihrer Bestände in Online Sammlungen oder auf übergeordneten digitalen Bibliotheken wie Europeana, um sich nach außen zu öffnen und neue Zugänge zu ihren Sammlungen zu ermöglichen. Sichtbar werden so jedoch nicht die Objekte selbst, sondern ausschließlich von Fotograf*innen inszenierte Reproduktionen, die als Stellvertreter dienen sollen. Auch die Negative Weimars entstanden um die Jahrhundertwende als reines Anschauungsmaterial, ohne als eigenständige Foto-Objekte zu gelten. Die besondere Materialität und Haptik des durchschimmernden Glases, das ungewöhnlich große Format von 18 x 24 cm sowie der sichtbare Detailreichtum der abgebildeten Werke führen heute zu einer kulturwissenschaftlichen Neubewertung: Sie werden zu einem zweiten Original. Als Dokumente der Zeitgeschichte geben die Reproduktionen Weimars Hinweise zur Entwicklung des fotografischen Handwerks um 1900 und spiegeln den damaligen Anspruch nach Anfertigung möglichst objektiver Bilder wider.
Mit rund 250 Objekten beleuchtet die Ausstellung den Gebrauch und die Wahrnehmung von Reproduktionsfotografien von 1900 bis heute sowie den Übergang von der Technik des Zeichnens hin zum Fotografieren von Werken. Zu sehen sind neben Glasnegativen historische Abzüge, Diapositive, Abbildungen in Veröffentlichungen, Neuabzüge, Reproduktionszeichnungen und digitale Sammlungszugänge. Fünf ausgewählte kunstgewerbliche Objekte aus den Beständen des MKG und von ihnen erstellte Abbildungen laden zum direkten Vergleichen ein. Neben Wilhelm Weimars Aufnahmen stammen weiteren Fotografien vom Atelier Fratelli Alinari, Hippolyte Arnoux (Lebensdaten unbekannt), Hildegard Heise (1897–1979), Giorgio Sommer (1834–1914) u.a.