Der 11. Juli 2018 war ein Tag, auf den die Hinterbliebenen der Opfer lange warten mussten. Der Tag, an dem Beate Zschäpe als einzige Verbliebene der NSU–Kernzelle sowie weitere Unterstützer der Terrorgruppe endlich verurteilt wurden. Vorausgegangen war einer der längsten und aufwändigsten Prozesse der deutschen Geschichte. Nun wurde im Urteilsspruch die besondere Schwere der Schuld bei Zschäpe festgestellt und diese zu lebenslanger Haft verurteilt. Ab 1999 hatte der NSU um Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe elf Menschen aus rassistischen Motiven umgebracht, mehre Sprengstoffanschläge initiiert und 15 Raubüberfälle begangen. Mit dem Tod von Böhnhardt und Mundlos endete die Mordserie, und die Behörden mussten eingestehen, in eine völlig falsche Richtung ermittelt zu haben.
Fassungslos über die Details, die nach und nach während des Prozesses aufgerollt werden, beschließt Paula Markert, dieses dunkle Kapitel des rechten Terrors in Deutschland fotografisch weiter zu durchdringen. 2014 begibt sie sich auf eine Spurensuche, um Handlungsorte und Menschen zu erkunden, die Teil der komplexen NSU-Geschichte sind. Dabei wird der Fotografin klar, dass sie schnell an Grenzen stößt, um der Komplexität des Themas gerecht werden zu können. Paula Markert entscheidet sich für eine zurückgenommene Erzählweise. Sie führt den Betrachter an Orte, die fast aufreizend banal wirken, aber in dem Moment, wo man erfährt, dass sie in den Täterbiographien eine wichtige Rolle spielen, extreme Aufladung erleben.
Sie zeigt Leute, die einst mit den NSU-Akteuren zu tun hatten, präsentiert Hinterbliebene der Opfer, porträtiert ehemalige Ermittler und Anwälte. Ihren Fotos stellt sie zahlreiche Textdokumente (Prozessprotokolle, Interviews etc.) zur Seite, die der Geschichte wichtige Aspekte zuführen und helfen, diese besser zu durchdringen. Auch nach dem 11. Juli sind längst nicht alle Wahrheiten ans Licht gekommen. Paula Markerts Arbeit ist auch als Mahnung zu begreifen, die nach diesem Prozess unbeantworteten Fragen weiterhin aufzuarbeiten und den Kampf gegen rechtsradikal motivierte Gewalt konsequent fortzuführen.
Paula Markert (*1982) lebt in Hamburg und ist für zahlreiche große deutsche Magazine tätig. Daneben arbeitet sie an ihren eigenen, freien Projekten, die sich mit politisch brisanten Themen beschäftigen. Ihre Serien wurden mehrfach ausgezeichnet und in verschiedenen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt. »Eine Reise durch Deutschland. Die Mordserie des NSU«, an der die Fotografin mehrere Jahre gearbeitet hat, wird in der FREELENS Galerie erstmals umfangreich ausgestellt. Zeitgleich erscheint dazu ein Buch bei Hartmann Projects.