Aus dem Leben
„Der freiwilligste Tod ist der schönste. Das Leben hängt vom Willen der anderen ab – der Tod von unserem“, sagt der französische Philosoph und Essayist Michel de Montaigne. Der einflussreiche Philosoph des 16. Jahrhunderts stellt die Autonomie des Menschen auch im Angesicht des Todes in den Vordergrund seiner Reflexionen. Und eben diese Frage, ob die Freiheit des Menschen auch die Freiheit zum Tod umfasst, ist im 21. Jahrhundert wieder hochaktuell. In dem Spannungsfeld zwischen Selbstbestimmung versus Schutz des Lebens verläuft die Debatte um die Sterbehilfe in Deutschland, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Februar 2020 das geltende Verbot der „geschäftsmäßigen“ Suizidhilfe für nichtig erklärt hat. Das Gericht musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob der Staat dem sterbewilligen Menschen Hindernisse in den Weg legen darf, weil es um das höchste Gut unseres Wertesystems geht – um das Leben. Oder muss er im Gegenteil die Patient*innen bei ihrem Schritt im Sinne des freien Willens unterstützen?
Wir haben den Tod und das Sterben weitgehend aus unserem Alltag verdrängt. Die Bedürfnisse des modernen Menschen sind auf Jugendlichkeit, Gesundheit und Leistungsfähigkeit ausgerichtet. Der Tod hat darin keinen Platz. Diese aktuelle Debatte führt uns nun vor, dass wir uns dringend mit den Themen Tod, Sterben, Trauer auseinandersetzen sollten: Für eine Gesellschaft, die auf diesem Weg vielleicht auch neue Einsichten über sich selbst gewinnt. In diesem Theaterprojekt kommen Menschen zu Wort, für die die Themen Sterben und Tod Teil ihres Alltags sind. Sie haben sich aus beruflichen oder privaten Gründen entschlossen, sterbenskranke Menschen als Palliativpfleger* innen oder Sterbebegleiter*innen auf ihrem letzten Weg beizustehen. Wir haben Angehörige interviewt, die sich damit auseinandersetzen mussten, dass Familienmitglieder die sogenannte Exit-Strategie wählten und mit Hilfe von Sterbehilfeorganisationen aus dem Leben schieden. Menschen, die unheilbar krank sind, erzählen von ihrem persönlichen und juristischen Kampf um das Recht, den Zeitpunkt ihres Todes selbst bestimmen zu können. Sie fordern, dass es möglich sein muss, den tödlichen Cocktail auch als Privatperson legal auf Rezept zu erhalten, um diesen zuhause ohne Beisein eines Arztes oder Mitwirkung einer Institution zu sich nehmen zu können.
Basierend auf diesen Interviews erzählen Schauspieler*innen diese sehr persönlichen und individuellen Geschichten über Sterben, Trauer und Abschied.
Fotos: Thomas Aurin