Während ihres Aufenthalts als Artist-in-Residence im Museum Kunst der Westküste im Jahr 2016 stieß die in Rom und Berlin lebende Künstlerin Susanne Kessler, geboren 1955, im Föhr-Lexikon auf eine Grafik von hohem zeichnerischem Charakter, hinter der sich eine spektakuläre Geschichte verbirgt: Es handelt sich dabei um die Nachzeichnung der Odyssee des stählernen Vollschiffs „Susanna“ bei der Umsegelung von Kap Hoorn. Unter der Führung des Föhrer Kapitäns Christian Jürgens (1875–1959) geriet der Dreimaster im Winter 1905 auf seiner Fahrt von Port Talbot/England zum Salpeterhafen Iquique/Chile in lang anhaltende Stürme um Kap Hoorn. 100 Tage lang, davon allein 80 Tage bei Sturm mit zehn und mehr Beaufort, kämpfte sich die Mannschaft auf der insgesamt 190 Tage währenden Reise um die Südspitze Amerikas.
Die „Susanna“ hält bis heute zwei Rekorde, einen für die mit Abstand längste Kap-Hoorn-Umsegelung, den zweiten für die längste Fahrt von Europa nach Nordchile. Der Törn gilt als der härteste, brutalste und tapferste in der internationalen Seefahrtsgeschichte. Das erhalten gebliebene Logbuch verhilft, die Irrfahrt exakt zu rekonstruieren und zu skizzieren – ein bizarres grafisches Muster, das einerseits die traumatische, monatelange Fahrt für jedermann anschaulich macht, andererseits aus künstlerischer Sicht hoch faszinierend ist, zeichnet sich ab.
Susanne Kessler arbeitet seit Ihres Aufenthalts auf Föhr, während dessen viele Aquarelle, Skizzen und ein Arbeitsbuch entstanden, an einer großen Installation im Außenraum, die auf Föhr am Saum des Wassers das Geschehen dieser „Odyssee“ gleichsam zu neuem Leben erwecken soll. Befestigt an in den Boden versenkten Kastanienstämmen schwimmen auf einer aus Bambusrohr gefertigten Unterbaukonstruktion Korkschläuche in entsprechenden Windungen. Am Saum der Nordsee gelegen wird sich die Installation dem Auf und Ab von Ebbe und Flut anpassen (Änderungen vorbehalten).
Begleitend zeigt das Museum Kunst der Westküste eine Ausstellung, die den vorbereitenden Prozess offengelegt. Die Künstlerin präsentiert Zeichnungen, Objekte und Filme. Hinzu kommen eine Raumzeichnung, die „Mappa Mundi“, sowie eine die Irrfahrtskizze übersetzende Rauminstallation.
Katalog: Ein Katalog begleitet die Ausstellung und die Außenrauminstallation.
Susanne Kessler:
Geboren 1955 in Wuppertal geboren, studierte die Künstlerin 1975-1982 an der Hochschule der Künste, Berlin, und machte 1983 ihren Abschluss am Royal College of Art, London. Seit 1984 lebt sie in Rom und unterhält seit über zehn Jahren auch ein Atelier in Berlin. Arbeitsaufenthalte brachten sie u.a. nach Äthiopien, Guatemala, Mali, Pakistan, Indien und den Iran. All diese Orte haben sichtbar Einfluss genommen und in ihrem Werk Spuren hinterlassen. Gastdozenturen und eine Professur – California State University (CSU) und City University New York (CUNY) – führten Sie überdies immer wieder in den Vereinigten Staaten.
Susanne Kessler stellte in Italien, England, Frankreich, Dänemark, Indien, Pakistan, Lettland, Iran, Schweiz, Belgien, Polen und den USA aus. Einzelausstellungen wurden ihr in deutschen, italienischen und amerikanischen Museen gewidmet. Preise und Fellowships u.a.: Ruth Katzman Award (New York, 2014), das ifa-Arbeits- und Ausstellungsstipendium für Teheran/Iran (2003) sowie das Kaiserring-Stipendium (Goslar, 1995). Weitere Artist in Residence-Aufenthalte u.a.: Arlington Art Center, Washington, The Elizabeth Foundation for the Arts, New York, Phnom Penh/Kambodscha, Addis Abeba/Äthiopien, Hayderabad-Mumbai/Indien und Guatemala City/Guatemala