Ein Mann im Schnee
Weihnachten mit Erich Kästner
mit Walter Sittler & Die Sextanten
„Komm‘ mir ja nicht ohne die Weihnachtsgeschichte nach Hause!“, ruft Mutter Kästner ihrem Sohn nach, als der junge Erfolgsautor am Dresdner Bahnhof aufbricht gen Süden, zur Zugspitze, in der Hoffnung, dort, von schneebedeckten Bergen inspiriert, endlich eine Geschichte zu Papier zu bringen, die im Winter spielt. Da sitzt er nun auf der blumenbedeckten Wiese mitten im Hochsommer, der spätere Autor weltberühmter Wintergeschichten wie „Das Fliegende Klassenzimmer“ oder „Drei Männer im Schnee“, schaut auf die Berge und aus seinen Gedanken
erwachsen Anekdoten und Beobachtungen, von denen er zu erzählen beginnt. Leise rieselt der
Schnee, in den Bergen stürzen die Skifahrer und in Berlin die Passanten auf eisglatten ehsteigen, in den ausgelassenen 1920er Jahren.
Im zweiten Teil des Stücks findet sich der Autor in einem zugigen, ausgebombten Zimmer im
München des Hungerwinters 1945 wieder. In letzter Minute dem Bombenhagel in Berlin entkommen, ist er hier gelandet, reflektiert Vergangenes und schaut nach Vorn.
Dieses Kästner-Programm ist eine in sich abgeschlossene Erzählung in zwei Teilen, die Geschichte eines Mannes, dessen Gedanken und Erlebnisse sich zu einer Winterreise fügen, beginnend in den 1920ern bis zum Silvesterabend 1945. Und Erich Kästner wäre nicht der Dichter, als der er geliebt und geschätzt wird, würde er das Sujet „Weihnachten“ nicht nutzen, um dabei seinen analytischen Blick auf die Zeit und den Menschen zu richten, ein humorvoller Beobachter und scharfzüngiger Mahner von nicht zu bremsender Aktualität.
Und das soll eine Weihnachtsgeschichte sein? Oh ja! Keine, die von Kitsch trieft, aber eine, die von Krieg und Frieden erzählt, von Liebe und Demut und davon, wie die Menschen miteinander umgehen könnten, wenn sie nur wollten. Eine Weihnachtsgeschichte, die von den Grundfragen des Menschseins handelt. Und typisch Kästner: Melancholische und ironische Momente wechseln sich ab, eine Melange aus Humor und Nachdenklichkeit. Libor Síma hat für die außergewöhnliche Besetzung der Sextanten die Bühnenmusik komponiert und darüber hinaus einige der schönsten europäischen Weihnachtslieder neu arrangiert.